Sehr geehrter Herr Professor Lauterbach,
als Ihren Beitrag zur Sanierung des angeschlagenen deutschen Gesundheitswesens,
lassen Sie öffentlich verbreiten, dass den Krankenkassen die Erstattung
homöopathischer Behandlungen verboten werden soll.
Nun sind wir angesichts der Tatsache, dass die Ausgaben für homöopathische
Behandlungen inklusive Arzneimittel etwa 0,
Besser argumentiert es sich jedoch auf informierter Grundlage. Selbst wenn man
anderer Meinung ist, gehört es zu den guten Gepflogenheiten einer
demokratischen Kultur, sich die Argumente der anderen Seite zunächst einmal
anzuhören.
Wir haben uns vor einigen Monaten um einen Gesprächstermin mit Ihnen bemüht und
leider keinen erhalten.
Wir hätten Ihnen dann gerne dargelegt, dass
- es sehr wohl Doppelblind-Studien gibt, die eine Wirkung der Homöopathie
belegen. (z.B. Frass et al. zur Behandlung von
Komapatienten auf einer Intensivstation)
- die Metaanalyse von Shang et al. methodisch
angreifbar ist und im Übrigen auf grundsätzlich falschen Annahmen beruht
- die Versorgungsforschung zeigt, dass die Homöopathie in der Praxis effektiv
und kostengünstig ist. (Charité-Studie, PEK Schweiz)
Dass die Homöopathie in der Praxis effektiv und kostengünstig ist, liegt
unseres Erachtens daran, dass
1. Patienten unter einer homöopathischen Behandlung gesund werden, und damit
effektiv weniger Kosten verursachen
2. homöopathische Mittel preisgünstiger sind als konventionelle Pharmaka
3. die deutlich längere Anamnese auch einen besseren Überblick über die
klinische Situation gibt. Effektiv werden dadurch Kosten für technische und
Labordiagnostik gespart.
Aber das ist nicht nur unsere Wahrnehmung. Die Effektivität der homöopathischen
Behandlung ist in der Versorgungsforschung unumstritten; dies auf den
Placebo-Effekt zu verkürzen, wäre gleichbedeutend mit der Feststellung, dass
große Teile der konventionellen Medizin nicht effektiver sind als ein Placebo.
Angesichts Ihres beruflichen Hintergrundes in der Epidemiologie und
Gesundheitsökonomie ist Ihnen gewiss bekannt, dass
- große Teile der konventionellen Medizin über keine Evidenz hinsichtlich der
Wirksamkeit verfügen – nur hinsichtlich der Wirkung (nur Surrogatparameter,
keine harten Endpunkte wie Mortalität)
- wenn überhaupt eine Evidenz vorliegt, dann nur für den Idealfall der
Monotherapie und nicht für die Praxisrealität der Polypharmakotherapie.
Wie stellen Sie sich vor diesem Hintergrund eine auf Evidenz basierende Polypharmakotherapie vor? Fordern Sie auch – Ihren Gedanken
konsequent zu Ende gedacht –, dass eine Polypharmakotherapie
zulasten der gesetzlichen Krankenkassen nur noch in Form von standardisierten
Behandlungsprotokollen gestattet ist, wenn diese Protokolle jeweils als Ganzes
in Doppelblindstudien anhand harter Endpunkte auf ihre Wirksamkeit untersucht
sind?
Ein verführerisches Szenario sicherlich: Die Arzneikosten wären damit
schlagartig auf einen Bruchteil reduziert.
Wir geben allerdings zu bedenken, dass Sie damit effektiv die
Zweiklassen-Medizin vorantreiben. Patienten, die sich das leisten können,
werden sich auch weiterhin eine individuelle Therapieentscheidung ihrer Ärzte
gönnen.
Das gilt übrigens auch für die Homöopathie. Es ist nicht so, dass die Patienten
Homöopathie für effektiv halten, weil die Krankenkassen das erstatten; es ist
vielmehr deutlich umgekehrt, dass die Krankenkassen homöopathische Behandlungen
erstatten, weil die Patienten das wünschen. Würde die Homöopathie aus dem Leistungskatalog
der GKV gestrichen, hätten die Ärzte eine etwas kürzere Wartezeit und könnten
nach GOÄ abrechnen. Den Schaden hätten die Patienten, die ihre
Pflichtversicherungsbeiträge zahlen und sich fragen, warum die Therapie ihrer
Wahl nicht mehr erstattungsfähig ist.
Das Instrument der Sonderverträge wurde von einem SPD-geführten
Gesundheitsministerium in das Gesundheitswesen eingebracht. Das war ein
marktwirtschaftliches Instrument mit dem erkennbaren Ziel, Bewegung in die
erstarrten Strukturen des Gesundheitssystems zu bringen. Experimente sollten
ermöglicht werden, Ideen und Therapiemöglichkeiten erprobt werden in freier
Wahl der Vertragspartner.
Es muss Ihnen ja nicht jedes einzelne Ergebnis gefallen. Vielleicht sollten Sie
sich aber die Frage stellen, ob das sozialpolitische Instrumentarium des
Ebenso dürfen Sie sich natürlich auch gerne die Frage stellen, ob eine Medizin
des
Wir würden uns über ein Treffen zu einem offenen Meinungsaustausch nach wie vor
freuen. Immerhin scheint die Homöopathie Ihrer Ansicht nach relevant für die
Gesundheit des deutschen Gesundheitswesens zu sein.
Reden schadet (fast) nie. Wir können uns gerne über die Organisation und
Finanzierung einer ergebnisoffenen Homöopathie-Forschung unterhalten, die wir
begrüßen. Sie könnten das Ziel haben, herauszufinden, warum diese Placebos so
regelhaft erfolgreich funktionieren – wir würden gerne verstehen, wie die
substanzspezifische Wirkung eigentlich funktioniert. Das wäre dann
praktizierter Wissenschaftspluralismus – eine schöne Vorstellung.
Cornelia Bajic, Ärztin
Curt Kösters, Arzt
Vorsitzende des Deutschen Zentralvereins homöopathischer Ärzte (DZVhÄ)